Jean Ziegler
Filippo Grandi, Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge, veröffentlichte kürzlich die Opferzahlen: Zwischen 2014 und 2022 sind im östlichen und westlichen Mittelmeer über 25 000 Frauen, Kinder und Männer ertrunken. Die Menschen waren auf der Flucht vor Folter, Bombenangriffen, Massakern in ihren Heimatländern. Ihre Flucht war geschützt von der Uno-Flüchtlingskonvention von 1951 und der Universellen Deklaration der Menschenrechte (Artikel 14). Wer in seinem Ursprungsland von mörderischer Gewalt bedroht ist, hat das Recht, eine Grenze zu überschreiten und in einem Nachbarland um Asyl und Schutz zu bitten. Wer auf seiner Flucht in Not gerät, hat Anrecht auf Hilfe der Völkergemeinschaft. Dieses universelle Menschenrecht auf Asyl ist eine Zivilisationserrungenschaft. Es wird heute in eisiger Normalität verletzt.
Im Mittelmeer sind seit 2014 mehr als 25’000 Menschen ertrunken.
VERBRECHEN. Claude Calame, Professor an der Universität Lausanne und ein international anerkannter Experte für Asylrecht, schreibt: «Das Mittelmeer ist der grösste Friedhof der Welt. Die Rückweisungsstrategie der europäischen Staaten ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.» Ein Beispiel: In der Morgendämmerung des 26. Februar 2023 sichtet ein Patrouillenflugzeug der europäischen Küstenwache Frontex vor der kalabrischen Küste Italiens einen havarierten Kahn. Gegen hundert verängstigte, vor Kälte zitternde Menschen – darunter viele Kinder – aus Afghanistan, Syrien und Iran drängen sich auf dem dahintreibenden Boot. Das Frontex-Flugzeug zieht am düsteren Himmel seine Runden, fotografiert die Verzweifelten und fliegt dann weiter. Die europäische Küstenwache löst keinen Alarm aus, keine Rettungsaktion. Italienische Fischer finden später 76 Leichen, die im eiskalten Wasser treiben.
MITTÄTERIN. Die Schweiz ist einer der bedeutsamsten Mitgliedstaaten von Frontex. Diese erhält jährlich 61 Millionen Franken Steuergeld. Die Schweiz sitzt im Verwaltungsrat der Organisation. Schweizer Zöllnerinnen und Polizisten sind präsent in der Luft, auf dem Meer und an den europäischen Aussengrenzen; überall dort, wo Frontex ihre Abschreckungspolitik durchsetzt. Die Schweiz ist Mittäterin am Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie es im Römer Statut (Gründungscharta des Internationalen Strafgerichtshofes) verbrieft ist.
FOLTERLAND. Die finsteren Bürokratinnen und Bürokraten in Bern sind Komplizinnen und Komplizen eines weiteren Vergehens: In Anwendung des Staatsvertrages von Dublin III müssen Flüchtende ihr Asylgesuch dort deponieren, wo sie zum ersten Mal europäischen Boden betreten. Aus jedem später erreichten Staat können sie in den Erststaat deportiert werden. Jedoch: Artikel 17 des Vertrages erlaubt es aus «humanitären Gründen und Gründen des Mitleids» (compassion), auf diese Rückdeportation zu verzichten. Eine Petition mit über 10 000 Unterschriften liegt beim Bundesrat. Sie verlangt, dass keine Flüchtlinge nach Kroatien zurückgeschafft werden – wo Asylsuchende gefoltert werden. Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider ignoriert die Petition und befiehlt weiterhin die gewaltsame Rückführung nach Kroatien.
Diese Politik ist eine Schande für die Schweiz. Wir müssen sie stoppen und Frau Baume-Schneider zur Vernunft bringen.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein 2020 im Verlag Bertelsmann (München) erschienenes Buch Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten kam im Frühling 2022 als Taschenbuch mit einem neuen, stark erweiterten Vorwort heraus.
"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein."
Resolution im Bundestag: Appell für Wissenschaftsfreiheit, selbstkritische Erinnerungskultur und gegen Diskriminierung - Unterstützung erwünscht
Kriegsmüde – das ist das dümmste von allen Worten, die die Zeit hat. Kriegsmüde sein das heißt, müde sein des Mordes, müde des Raubes, müde der Dummheit, müde des Hungers, müde der Krankheit, müde des Schmutzes, müde des Chaos… Kriegsmüde hat man immer zu sein, d.h. nicht nachdem, sondern ehe man einen Krieg begonnen hat. Aus Kriegsmüdigkeit werde der Krieg nicht beendet, sondern unterlassen…
Karl Kraus, 1918
Der frühere Tupamaro und Präsident von Uruguay, José "Pepe" Mujica, hat in einem Interview am Dienstag erklärt, er wolle sich von seinen "Genossen und Landsleuten verabschieden". ... Die Präsidenten von Kolumbien, Gustavo Petro, und Brasilien, Lula, ehrten Mujica mit den höchsten Auszeichnungen ihrer Länder. ... "Ich bin kein Mann der Auszeichnungen und Medaillen. Ich bin ein Mann des Volkes, der getan hat, was ich mit meinem Volk tun konnte, und nichts weiter", erwiderte der Geehrte.
Das Interview erschien in Telepolis in Kooperation mit dem US-Medium Democracy Now. Hier geht es zum Original.
Neue Recherchen haben die Rolle deutscher Nazis beim Putsch von General Pinochet gegen die Regierung von Salvador Allende am 11. September 1973 bekannt gemacht.
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