Entzug der Wählbarkeit Le Pens: Großkundgebung der extremen Rechten und Gegendemonstrationen. RN-Redner spricht von "politischer Verfolgung". Bericht aus Paris.
"Schmutzige Hände", "Ganoven", "Betrüger" und "Gib das Geld zurück" haben unbekannte Hände mit Schablonen entlang dem Boulevard des Invalides – vorbei am Invalidendom, dem Grabmal Napoléon des I. – auf die Trottoirs gesprüht.
Die Nachricht richtete sich offensichtlich an das Publikum, das an diesem sonnigen Sonntagnachmittag in Paris zu Tausenden zur Kundgebung der extremen Rechten strömte, durch langwierige Taschenkontrollen an den Eingängen hindurch.
Gegen 15.15 Uhr eröffnete dort Louis Aliot vom Rassemblement national (RN), der Bürgermeister der einwohnerreichsten rechtsextrem regierten Stadt Frankreichs, Perpignan, den Redner-Reigen.
"Politische Verfolgung durch unsere Gegner"
Als "politische Verfolgung durch unsere Gegner" bezeichnete er das am 31. März in Paris gefällte Urteil gegen 25 Personen, unter ihnen auch Aliot selbst. Ihnen wurde vorgeworfen, insgesamt rund 4,1 Millionen Euro an Mitteln des Europaparlaments auf rechtswidrige Weise zweckentfremdet zu haben, um rein inländische Parteiarbeit zu finanzieren.
Ein Teil ging auch an halb private und halb politische Funktionen: 70.000 Euro (Korrektur: 90000) gingen an den Butler von Jean-Marie Le Pen, den der am 07. Januar dieses Jahres verstorbene Gründer des damaligen Front National (seit 2018 RN) auf seinem Schloss Montretout beschäftigte.
Als "verzweifeltes Manöver der Oligarchie, die sich an ihre Macht klammern will", bezeichnete Aliot dabei das Urteil. Die eigene Partei stehe angeblich für "die Demokratie des Volkes, durch das Volk und für das Volk".
Vergleich mit Martin Luther King
Früher am Tag hatte Marine Le Pen, die frühere Partei- und jetzige Parlamentsfraktionschefin Marine Le Pen sich, in einer Video-Liveschaltung zum Parteitag der regionalrassistischen italienischen Lega von Matteo Salvini, selbst mit Martin Luther King verglichen.
Wie er wolle man einen friedlichen Massenkampf gegen das Unrecht führen. Auch an solch grotesken Vergleichen, die jegliche reale Unterdrückungserfahrung einebnen, erkennt man die extreme Rechte wieder.
Im Verlauf der Woche hatte ihre Partei die nun möglicherweise verhinderte Präsidenschaftskandidatin, welcher eine Umfrage für den Fernsehsender Bfmtv jedoch am Sonntag nach wie vor (je nach Mitbewerber) 31,5 bis 36 Prozent in einem ersten Wahldurchgang voraussagte, auch mit dem in Haft am Polarkreis verstorbenen russischen Oppositionellen Alexander Nawalni sowie dem inhaftierten Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoğlu verglichen.
Nichts weniger als das.
"Den Kopf erhoben und saubere Hände"
Öffentliche Kritik steckte hingegen ein Regionalbeauftragter der Partei in Südwestfrankreich, Jean Philippe Chartier, ein. Er verstieg sich gar zu der Behauptung, die drei Richterinnen am Pariser Gericht hätten eine "Endlösung für Marine Le Pen" beschlossen.
Die "schmutzigen Hände" der unbekannten Sprayer beziehen sich dabei nicht nur auf einen Romantitel von Jean-Paul Sartre, sondern auch auf einen bekannten Slogan von Jean-Marie Le Pen in den frühen 1990er Jahren: "Tête haute et mains propres" (auf Deutsch: Den Kopf erhoben und saubere Hände).
Mittels solcher Parolen hatte die neofaschistische Partei damals versucht, sich als hart auskehrenden Besen gegen die Korruption zu verkaufen – die der Anderen, natürlich.
Unterschlagung von Geldern – Sprachregelung
Die Unterschlagung von Geldern aus dem Europäischen Parlament hat der RN in einer Sprachregelung, die ausnahmslose alle seiner Abgeordneten und sonstigen Vertreter in den TV-Studios in den letzten Tagen unisono wiederholten, als "désaccord administratif" abgetan – als kleinere Meinungsverschiedenheit mit der Verwaltung.
Als weiteres Argument wiederholt der RN, wie auch manche Journalisten (erwartungsgemäß eher aus dem rechtsoffenen Bereich wie in Teilen der Redaktion der Tageszeitung Le Figaro) nun ebenfalls beharrlich, das Urteil sei rechtsstaatswidrig.
Dies deswegen, weil eine sofortige Vollstreckung der Sperre beim passiven Wahlrecht für Marine Le Pen angeordnet wurde – alle übrigen Strafen bleiben bis zur Berufungsinstanz ausgesetzt.
Dies setze Wiederholungsgefahr voraus, doch eine Wiederholung könne es nicht geben, da Marine Le Pen gar nicht mehr im Europaparlament sitze. Gar so eng hatte das Urteil die Begründung aber nicht gefasst: Wer in solcher wie der im Laufe des Verfahrens bewiesenen Weise mit ihr anvertrauten öffentlichen Geldern umgehe, sei für andere höhere Ämter nicht legitimiert, hatte das Gericht befunden.
Gegendemonstration in Paris
Die drei Gerichtsmitglieder, die das Urteil fällten, vor allem die Vorsitzende Richter Bénédicte de Perthuis, wurden im Laufe der Woche persönlich intensiv bedroht und unter Polizeischutz gestellt. Die Partei Marine Le Pens hat sich von solchen Initiativen jedoch distanziert.
Wir danken Bernad Schmid für das Publikationsrecht.
zuerst veröffentlich:
https://www.telepolis.de/features/Marine-Le-Pen-Traeume-von-Martin-Luther-King-10342043.html
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Das Interview erschien in Telepolis in Kooperation mit dem US-Medium Democracy Now. Hier geht es zum Original.
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