Von Christa Hourani
Vom 22. bis zum 26. Oktober hat der 25. Gewerkschaftstag der IG Metall stattgefunden. Die IG Metall wählte ihren neuen Vorstand (UZ vom 27. Oktober) und beschloss Aufgaben und Ziele für die kommenden vier Jahre in insgesamt etwa 540 Anträgen. Zwei wichtige Themen stellen wir hier ausführlich dar: Frieden und das sogenannte „Sozialpartnermodell“.
Passagen entschärft
Das Thema Frieden war eines von vielen Themen, das am Dienstag zur Debatte stand. Die Delegierten segneten den Leitantrag des Vorstandes „Für eine verantwortliche Politik für Frieden und Sicherheit“ (G001) nicht einfach ab, sondern strichen via Ergänzungsantrag doch einige kritische Punkte raus und verankerten friedensfreundlichere Formulierungen. Mit diesen Veränderungen wurde der Leitantrag dann einstimmig verabschiedet.Gestrichen wurden folgende Sätze: „Klar muss aber sein: In der Ukraine wird kein Stellvertreterkrieg des Westens ausgefochten (…) Ein genereller Ausschluss von Rüstungsexporten beziehungsweise Waffenlieferungen in Krisenregionen und an kriegführende Staaten steht diesen Zielen entgegen. Waffenlieferungen können legitim sein, wenn demokratische Staaten ihr Recht auf Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff wahrnehmen. Klar ist aber auch: Menschenrechte stehen über Exportmöglichkeiten.“ Dafür wurde folgendes neu in den Leitantrag aufgenommen: „Waffenexporte sind restriktiv und transparent zu handhaben. Eine Fixierung auf Waffenlieferungen verlängert diesen Krieg und führt auf beiden Seiten zu tausenden Toten und Verletzten. Daher ist der Schwerpunkt auf diplomatische Lösungen zu legen, um zunächst einen schnellen Waffenstillstand zu vereinbaren. Eine einseitige Fixierung der Debatte auf Waffenlieferungen und ein Denken in den Kategorien ‚Sieg‘ oder ‚Niederlage‘ ist der falsche Weg (…) Außerdem setzen wir uns gemeinsam für Rüstungskonversion ein.“
Diese Formulierungen den Schwerpunkt deutlich auf einen schnellen Waffenstillstand und sind kritischer gegen kriegstreiberische Waffenexporte. Die Debatte um den Ergänzungsantrag war zwar mit sechs Redebeiträgen relativ kurz, aber es wurden gute Positionen bezogen.
Die Antragsberatungskommission hatte in ihrer Stellungnahme zum Ergänzungsantrag folgendes angemerkt: „Eine einseitige Fixierung auf Waffenlieferungen hilft niemandem. Es muss doch darum gehen, dass die Waffen schnellstmöglich schweigen, dass endlich wieder Frieden herrscht. Es muss doch in allererster Linie darum gehen, nach diplomatischen Lösungen zu suchen. Frieden wird am Verhandlungstisch geschlossen, nicht auf dem Schlachtfeld.“ Dafür gab es viel Beifall.
Der Antragsteller des Ergänzungsantrags, Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter, Geschäftsführer und Kassierer der Geschäftsstelle Hanau-Fulda, erläuterte in seiner Rede die Entstehung dieses Antrags: „Im Vorfeld des Gewerkschaftstages haben Garnet Alps aus Braunschweig und ich die Initiative ergriffen, die Geschäftsstellen zu einem Austausch einzuladen, die einen Antrag zum Thema Frieden eingebracht haben. Antrieb war, dass wir mit den bisher im Grundsatz formulierten Positionen die Gefahr für eine Polarisierung zu dem Thema auf dem Gewerkschaftstag gesehen haben, insbesondere beim Thema Waffenexporte. Das Ergebnis unseres Austausches haben wir mit einem Ergänzungsantrag eingebracht, der gestern auch schnell von über 150 Kolleginnen und Kollegen gestützt wurde.“ Wichtig war ihm, dass „bisher gefasste friedenspolitische Grundsätze der IG Metall dabei nicht infrage“ gestellt werden und die Gewerkschaft „weiterhin eine ganz, ganz klare gesellschaftliche Stimme der Vernunft, der Diplomatie, des Friedens und der Konversion“ bleibt. Er wolle „vom Gewerkschaftstag aus ein Signal auch in die Fläche und auf die unterschiedlichen Ebenen senden, dass wir eine intensivere friedenspolitische Debatte bis in die Betriebe hinein in die Bildungsarbeit brauchen.“
Dietmar Jansen, 1. Bevollmächtigter der Geschäftsstelle Allgäu, betonte, dass ihm der Ergänzungsantrag „nicht weit genug“ geht und dass damit die Position des letzten Gewerkschaftstages aufgegeben werde, „die eindeutig war: Keine Rüstungsexporte in Krisengebiete und kriegsführende Staaten“. Eine Rüstungsspirale sei in Gang gesetzt worden.
Der Delegierte Andreas Kuper mahnte an, dass für eine vernünftige Schulbildung das Geld fehle. Für Waffen gebe man jedoch 100 Milliarden Euro aus. Damit sprach er auch an, dass in dem Beschluss ein klares Nein gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm fehlt, ebenso wie ein klares Nein gegen Sozialabbau. Es heiße im Beschluss nur, „dass Rüstungsausgaben nicht gegen die Finanzierung wichtiger sozialpolitischer Vorhaben und notwendiger öffentlicher Investitionen zur Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation ausgespielt werden dürfen“. Das ist als frommer Wunsch formuliert und zeigt, dass nicht verstanden wird, dass Sozialabbau und Aufrüstung zwei Seiten einer Medaille sind.
Debatte zur „Zockerrente“
Auch beim Leitantrag „Beschäftigung und Sozialstaat zukunftsfest machen“ (L2.001) gab es zu dem Thema „Für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung“ eine lange Diskussion mit über 30 Redebeiträgen zu einem Ergänzungsantrag zum sogenannten „Sozialpartnermodell“, der den Leitantrag verbesserte. Dafür waren 200 Unterschriften auf dem Gewerkschaftstag gesammelt worden. Die klare Formulierung im Ergänzungsantrag für „ein Nein zur Einführung einer Aktienrente in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Verwendung von Rentenversicherungsbeiträgen für kapitalgedeckte Finanzierungswege“ und damit auch ein Ausschluss des sogenannten „Sozialpartnermodells“ stieß bei Delegierten aus Baden-Württemberg auf erheblichen Widerspruch, denn es bedeutete das Aus für das vom baden-württembergischen Bezirksleiter Roman Zitzelsberger seit Jahren beworbene Modell. Mit 272 Ja- zu 139 Nein-Stimmen, also mit Zweidrittelmehrheit, lehnten es die Delegierten ab, die „Zockerrente“ künftig in Tarifverträge aufzunehmen. Das war wohl der Beschluss mit den meisten Gegenstimmen, und die Debatte zeigte, dass bei diesem Thema ein Riss durch die IGM geht. Gleich zu Beginn wurde um eine solidarisch geführte Debatte und gegenseitigen Respekt gebeten, schließlich geheim abgestimmt.
Die Argumente gegen die „Zockerrente“ zeigten, dass die Delegierten weder Vertrauen in den Aktienmarkt noch zu ihren Konzernherren haben. „Wir halten es für den falschen Weg, die Arbeitgeber aus der Haftung für ihre Zusagen zu betrieblicher Altersvorsorge zu entlassen, mit dem Geld der Kolleg*innen am Kapitalmarkt zu spekulieren und zu riskieren, dass die Kollegen am Ende dieses Weges möglicherweise nicht mal das Geld erhalten, was für die betriebliche Altersvorsorge eingezahlt wurde (…) Wir bei Opel in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach und bei uns in Bochum haben eine zu 100 Prozent durch den Arbeitgeber finanzierte betriebliche Altersvorsorge. Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir unsere betrieblichen Regelungen verteidigen können, wenn mit Unterschrift der IG Metall eine für den Arbeitgeber viel günstigere Regelung abgeschlossen wird, die den Arbeitgeber auch noch aus der Haftung entlässt,“ meinte Erik Osladil vom Beirat.
René Jaworek entlarvte in seinem Redebeitrag den Begriff „Sozialpartnermodell“: „Allein die Begrifflichkeit „Sozialpartnermodell“ ist aus meiner Sicht schon schräg (…) Aber was, bitte, ist denn daran sozial, wenn wir unseren Mitgliedern eine Möglichkeit der betrieblichen Altersvorsorge anbieten und sie im schlimmsten Fall weniger rausbekommen, als sie eingezahlt haben? Und was ist daran partnerschaftlich, dass die Arbeitgeber keine Leistung mehr zusagen müssen und somit keine bestimmten Rentenerhöhungen garantieren, während die Kolleginnen und Kollegen komplett das Risiko tragen? Wir sollten unsere Energie darauf verwenden, die gesetzliche Rente zu stärken und somit den Sozialstaat zu stärken.“
Die Stärkung der gesetzlichen Rente als Alternative zur „Zockerrente“ wurde in vielen Redebeiträgen genannt und immer mit viel Beifall bedacht. Die Auseinandersetzung an diesem Punkt hat auch nochmal klar gemacht, warum Bezirksleiter Roman Zitzelsberger nicht für den Vorsitz der IGM kandidierte. Die Mehrheitsverhältnisse gegen „sein“ Modell waren schon vorher deutlich geworden und er hätte keine Chancen gehabt, gewählt zu werden.