Bericht über ein Theaterstück am 27.01.2024 im Museum für verfolgte Künste Solingen.
Einen eindrücklichen Solo-Abend über eine fast vergessene Gruppe von Verfolgten bot der Theatermacher und Pädagoge Harald Hahn anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus: Sein eigener Großvater war als sogenannter „Asozialer“ einige Jahre im KZ Buchenwald inhaftiert. Dazu zählten Menschen, deren Lebensführung nicht in das Ideal des nationalsozialistischen Volkskörpers passten, etwa Wohnungslose, Prostituierte, als „Arbeitsscheue“ titulierte Langzeitarbeitslose, Kleinkriminelle, Alkoholsüchtige und andere.
Hahn schlüpft im Laufe der Aufführung in verschiedene Rollen, er verkörpert neben sich selbst als Erwachsener Enkelsohn im Monolog mit seinem toten Großvater sein Ich im Kindesalter, einen mit populistischen Plattitüden schimpfenden Hausmeister, einen sadistischen KZ-Aufseher. Obwohl das Ganze mit wenigen, kargen Requisiten und minimalen Kostümwechseln auskommt, entfaltet sich eine große emotionale Wucht.
Das Stück erzählt Hahns eigene Familiengeschichte, die er aus wenigen Spuren mit Unterstützung der Gedenkstätte Buchenwald aufgearbeitet hat. In seiner Familie wurde die Vergangenheit des Großvaters auf schockierende Art verschwiegen, von ihm selbst und seinem Umfeld. „Psst, darüber spricht man nicht!“, war die Devise, aus Scham über die weit nach Ende des NS-Regimes fortdauernde „Schande“. Es wird deutlich, dass der Großvater von seinen nächsten Angehörigen niemals Anteilnahme für das Erlittene erfahren hat. Dies stimmt damit überein, dass sogenannte „Asoziale“ erst im Jahr 2020 als Opfer anerkannt wurden, für die allermeisten viel zu spät, um gewürdigt zu werden und Entschädigung zu erhalten. Es wird mehr als deutlich, dass diese Geschichte nicht in der Vergangenheit bleibt, sondern über Generationen weitergegeben wird. Ausgrenzung und Verachtung gegenüber Armen ist bis heute an der Tagesordnung. Eine Arbeitsethik, nach der der Wert eines Menschen gnadenlos nach seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit berechnet wird, steckt tief in den Köpfen und ist Realität in staatlichem Handeln, denkt man etwa an die Debatten um Zuwanderung oder Sozialleistungen. Viele der Glaubenssätze, die das Stück durchziehen, klingen in unseren Ohren allzu bekannt.
Harald Hahn entstammt einer armen Familie, er kennt die damit verbundenen Schamgefühle und die massive Benachteiligung in der Schule aus eigener Erfahrung. Anders als viele andere von der Gesellschaft Zurückgelassene, hat er den Weg zu einem Hochschulabschluss geschafft. Er setzt sich entschieden für ein gerechteres Bildungssystem und viele andere politische Belange ein. Veranstalter: Max-Leven-Zentrum / Evangelischer Kirchenkreis Solingen / Falken Bildungs- und Freizeitwerk Bergisches Land
Termine für den Zeitraum Oktober 2024 bis Februar 2025
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