Aufruf zum Internationalen Gewerkschaftstreffen, 22. - 24. März 2013 in Paris Union syndicale Solidaires / Frankreich Central Sindical e Popular Conlutas / Brasilien Confederacion General del Trabajo / Spanischer Staat Organisation Démocratique du Travail / Marokko
Internationale Gewerkschaftsbewegung:
Wir schaffen die Zukunft! Dieser Aufruf wird von Gewerkschaftsorganisationen aus Europa, Afrika und Amerika getragen. Wir alle sind unterschiedlichen - oder keinen - internationalen Verbänden angeschlossen: Mitglieder des Internationalen Gewerkschaftsbundes, Mitglieder des Weltgewerkschaftsbundes und jene, die keinem dieser Verbände angehören, aber alle an internationalen Gewerkschaftsnetzen teilnehmen. Dieser Aufruf richtet sich an alle Gewerkschaften, die sich wiederkennen in den Prinzipien des kämpferischen Gewerkschaftswesens, der Arbeiterdemokratie, der Selbstorganisation der Arbeiter - und in der Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung. Die Krise des kapitalistischen System hat rund um die Welt Konsequenzen. Die wirtschaftlichen, finanziellen, ökologischen und sozialen Krisen vermischen sich und verstärken sich gegenseitig. Diese globale Krise des Kapitalismus weist auf die Sackgasse einer Entwicklung die aufbaut auf einer immer ungleicheren Verteilung des produzierten Reichtums, auf Deregulierung des Finanzwesens, auf dem Freihandel und auf genereller Mißachtung ökologischer Gebote. Um die Profite der Aktionäre und der Unternehmer zu retten und die Zukunft der Banken und der globalen Institutionen zu sichern (Weltbank, Weltwährungsfonds, Welthandelsorganisation) attackieren die Regierungen und die Unternehmerverbände die Rechte der Arbeiter immer heftiger. Das gegenwärtige ökonomische und politische System organiseiert die Ausplünderung vieler Länder und zwingt so Millionen von Menschen ihre Herkunftsgegend zu verlassen, um zu überleben - um ihnen anschliessend alle Recht zu verweigern, unter dem Vorwand, sie seien Migranten. Die Zerstörung der öffentlichen Dienste, die Infragestellung sozialer Rechte, der Angriff auf Gewerkschaftsrechte, die Verletzung gewerkschaftlicher Freiheit, die Vertiefung der prekären Arbeit und der Erwerbslosigkeit für die Menschen - das sind die in jedem Land benutzten Methoden. Um diese Ziele zu erreichen, benutzen sie alle Mittel, unsere Kämpfe zu kriminalisieren: Prozesse, Gefängnis, Polizeiaktionen und militärische Besetzungen, alle Arten von Hindernissen für kollektive und individuelle Rechte. Die Unterdrückung ist eine ihrer Waffen gegen jene, die widerstehen, die dagegen sind, die Alternativen aufbauen. Unsere grenzüberschreitende Solidarität ist eine unserer Antworten. Die Gewerkschaftsbewegung, die wir wollen, kann keine Pakte mit jenen Mächten schliessen, die geschaffen wurden, um die antisozialen Maßnahmen zu unterstützen. Aufgabe der Gewerkschaften ist es, den Widerstand zu organisieren, um international, im Kampf, die nötige gesellschaftliche Veränderung zu konstruieren. Unser gewerkschaftlicher Ansatz zielt darauf ab, das Modell der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung zu stürzen, das auf der Hegemonie des Profits und des Wettbewerbs aufbaut. An seiner Stelle wollen wir ein System aufbauen, das auf den gemeinsamen Gütern beruht, der Verteilung des Reichtums unter allen, die zu seiner Schaffung beigetragen haben, auf den Rechten der Arbeiter und auf einer nachhaltigen ökologischen Entwicklung. Wir fordern das Recht, die Demokratisierung und den sozialen Ausbau der öffentlichen Dienste (Erziehung, Gesundheit, Verkehr, Energie, Wasser, Wohnungen etc). Die Bewegungsfreiheit der Menschen und die Gleichheit ihrer sozialen und politischen Rechte - unabhängig von ihrer nationalen Herkunft und ihrem Geschlecht - sind Bestandteile unserer gemeinsamen Ziele. Unser gewerkschaftliches Selbstverständnis vereint die Verteidigung der unmittelbaren Interessen der Arbeiter mit dem Wunsch nach tiefgreifender Veränderung. Solche Gewerkschaftsarbeit beschränkt sich nicht auf das Feld ökonmischer Forderungen, sondern hat auch Ziele im Recht auf Wohnung, Recht auf Land, in der Gleichheit zwischen Männern und Frauen, im Antirassismus, der Ökologie, dem Antikolonialismus und so fort... Die Interessen, die wir vertreten, sind jene der arbeitenden Klasse (aktiv oder Rentner, Jugendliche und Erwerbslose), Interessen, die mit jenen der Völker in aller Welt verbunden sind. In diesem Sinne stellen wir uns frontal gegen die Unternehmer, die Regierungen und alle Institutionen, die ihnen dienen, und bekräftigen unsere Autonomie gegenüber allen politischen Organisationen. Es gibt die internationalen Gewerkschaftsverbände; es wurden gewerkschaftliche Netzwerke geographischer und ökonomischer Art gegründet. Von einer Region zur anderen sind unsere Geschichte und unsere Zugehörigkeiten unterschiedlich. Aber wir teilen das Wesentliche: Wir sind entschlossen, bei der Koordination der internationalen Gewerkschaftsbewegung Fortschritte zu erzielen. In dieser Dynamik steht das Treffen, das wir im März 2012 organisieren. Mit diesem Treffen haben wir nicht die Absicht, eine neue internationale Organisation zu schaffen.Wir wollen ein Netzwerk der kämpferischen, demokratischen, unabhängigen, alternativen und internationalistischen Gewerkschaftsbewegung stärken. Wir wollen unsere Erfahrungen teilen, wir alle werden reicher mit dem Widerstand und den Errungenschaften jedes Einzelnen, wir wollen eine grenzüberschreitende Einheit schaffen und die internationale Solidarität der Arbeiter verankern. Im Angesicht der Krise, die die Bevölkerung aller Länder betrifft, und für die der Kapitalismus verantwortlich ist, ist es nötig unsere Kämpfe zu koordinieren und zu vereinen. Wir rufen alle gewerkschaftlichen Organisationen auf, sich mit uns zusammen zu tun und gemeinsam diese benötigte gewerkschaftliche Orientierung aufzubauen, um die sozialenNachteile zu bekämpfen, neue Rechte zu erkämpfen und eine andere Gesellschaft aufzubauen. Schritt für Schritt wollen wir diese Initiative aufbauen, mit allen kämpferischen gewerkschaftlichen Organisationen, für die das kapitalistische System nicht die unüberschreitbare Art gesellschaftlicher Organisierung ist, wollen wir die Veränderungen durch die alltäglichen kollektiven Kämpfe erringen und aus den Überlegungen über die Geselschaft, die wir für Morgen wollen. Wir schlagen für dieses Treffen im März 2013 Ziele vor. Aber wir werden sie endgültig gemeinsam bestimmen und festlegen: - Auf zunächst ein oder zwei Länder fokussiert, die kontinuierlichen Aktivitäten gewerkschaftlicher Solidarität verankern - Gemeinsam und koordiniert handeln, um vor sich gehende internationale Kämpfe und Kampagnen zu unterstützen: Unterstützung des Volkes von Palästina, Anerkennung der autonomen Gewerkschaftsbewegung im Maghreb und im Nahen Osten, gegen die militärische Besetzung Haitis, gegen die europäischen Verträge, die Austerität erzwingen, für das Recht aller Völker, ihre Zukunft zu bestimmen usw - Die internationale Arbeit in den Branchen stärken und erweitern (Transport, Erziehung, Call Center, Industrie, Handel und Gesundheitswesen) , wie auch die Arbeit an den generellen, branchenübergreifenden Problemen (Rechte der Frauen, Migration, Wohnung, Ökologie, Gesundheit und Beschäftigung usw). - Gemeinsam über die für die erfolgreiche gemeinsame Arbeit nötigen Materialien im Sinne unserer gemeinsamen Projekte befinden. Wir laden dazu ein, uns zu sagen, ob Ihr interessiert seid, ob Euch das Projekt nützlich erscheint - und ob euere Organisation an diesem internationalen Treffen teilnehmen wird. Union syndicale Solidaires - Christian Mahieux Central Sindical e Popular Conlutas - Dirceu Traverso Confederacion General del Trabajo - Jacinto Cacero Cubillo Organisation Démocratique du Travail - Ali Lotfi
------------------------------------------------------------------------ Position BaSo zu den Fragen für die Tagung 22.-24.März 2013 in Paris zum Thema „Alternative Gewerkschaften“ - Aufruf zum alternativen Gewerkschaftstreffen
1. Welche Antworten, welche Vorschläge und welche Zukunftsperspektive bietet eine alternative basisorientierte Gewerkschaftsbewegung angesichts der Krise des Kapitalismus?
2. Wie positioniert sich eine solche alternative Gewerkschaft innerhalb einer breiten sozialen Bewegung? Welche Verbindungen bestehen zu gesellschaftlichen Vereinigungen, Kollektiven und Komitees, die sich mit dem Recht auf Wohnung, der Arbeitslosigkeit, prekären Lebensverhältnissen, der Ökologie, gegen gesellschaftliche Diskriminierung und für die Regelung des Aufenthaltsstatus illegal lebender Immigranten einsetzen?
3. Welche Vorschläge gibt es für gemeinsame Kampagnen und Initiativen: z. B. Solidaritätsaktionen, die auf bestimmte Länder abzielen, oder Unterstützung im Kampf für schon bestehende internationale Bewegungen....
4. Geeignete Mittel um im gemeinsamem Kampf weiterzukommen, wie z.B. Websites,übergreifenden Zusammenarbeit in Berufsbranchen, Koordinationsarbeit.....
Antworten:
Zum besseren Verstaendnis der Situation und den Moeglichkeiten in Deutschland moechten wir einige allgemeine Bemerkungen voranstellen.
Es gibt in Deutschland nur 8 grosse Branchengewerkschaften (neben den weniger als 10 unten erwaehnten Berufsgewerkschaften oder christlich orientierten Gewerkschaften), die im DGB-Gewerkschaftsdachverband nach dem „Einheitsgewerkschaftsprinzip“, zusammengeschlossen sind. Dieses Prinzip bedeutet, dass Gewerkschaften nicht nach politischen Orientierungen, sondern „parteiuebergreifend“ konstituiert sind.
Dennoch sind sie organisatorisch, personell und ideologisch stark (in sehr überwiegender Mehrheit – auch an der Basis) der Kapitalismus bejahenden Sozialdemokratischen Partei (SPD) bzw. deren politischem Gedankengut nahestehend. Dies bedeutet eine Ruecksichtnahme auf die Partei, und damit einen starken Verlust der Handlungsfähigkeit (Tarifauseinandersetzungen und Organisierungsfaehigkeit). Des weiteren besteht eine Verbundenheit/Abhängigkeit vieler Linken mit/von dem Gewerkschaftsapparat, auch durch die (berechtigte?) Angst vor der eignen Schwäche, z.B. bezogen auf eine moegliche neue Organisation und der Ueberzeugung, dass die (tatsächlich so nicht mehr existierende) Stärke der DGB-Gewerkschaften noch vorhanden oder wieder herstellbar sei. Auch außerhalb Deutschlands sehen viele den DGB und dessen Einzelgewerkschaften als kraftvolle Organisationen an.
Berufsgruppengewerkschaften, die es in D gibt, wie die GDL (Lokfuehrer) oder Cockpit (Piloten) fuehren im Einzelfall radikale Tarif-Kaempfe, aber vertreten keine politische, gesellschaftliche Alternative.
Das Streikrecht in Deutschland ist rechtlich stark reglementiert und somit auch relativ schwach. Daraus resultiert, dass es nicht sehr häufig erfolgreich wahrgenommen wird. Auf jeden Fall darf ein Streik nur von den etablierten (tariffaehigen) Gewerkschaften ausgerufen werden. Demgegenüber stehen die seltenen, von rechtlicher Seite/dem Staat illegalisierten „wilden Streiks“, die ohne oder gegen den Willen der Gewerkschaftsführung entstehen. Somit entstehen nur selten Kristallisationspunkt für neue, aktive, linke Organisationen/Gewerkschaften
Des weiteren gibt es eine sogenannte Mitbestimmung in Aufsichtsraeten von Aktiongesellschaften und von allen Arbeitnehmern gewaehlte Betriebsräte in Deutschland. Diese Konstellation führte insbesondere in den Großbetrieben der Chemie und der Metallindustrie dazu, dass sich im Laufe der Zeit bei den (führenden) Arbeitnehmervertretern (in Betriebsratsgremien und Gewerkschaften) eine Bereitschaft zu einer kooperativen Partnerschaft mit den Unternehmen und eine Co-Management-Ideologie entwickelt hat.
In Deutschland besteht somit das Problem, basisorientierte Gewerkschaften zu schaffen. Einerseits hat die Linke die Niederlage im deutschen Faschismus (1933 - 1945) dahingehend interpretiert, dass die Einigkeit absolut notwendig und Zersplitterung schaedlich ist, und dass dies automatisch Einheitsgewerkschaften bedeutet. Andererseits fehlt z.Z. auch die Kraft, Basisgewerkschaften zu schaffen,und es gibt gesetzliche Zwänge und Hürden. Des weiteren hat das reiche Deutschland noch soviel zu verteilen, dass soziale Konflikte z.Z. nur auf niedrigem Niveau stattfinden.
Zu 1 Aus dem Vorhergesagten ergibt sich, dass die Bedingungen fuer die Entstehung einer unabhaengigen, radikalen, antikapitalistischen und klassenbewussten Arbeiterorganisation/Gewerkschaft denkbar schlecht sind. Somit bleibt in Deutschland z.Z. nur der Weg, innerhalb der Gewerkschaften oder daneben Basisorganisationen oder Stroemungen zu bilden. Durch Vernetzung und gemeinsames Handeln können angesichts der gegenwärtigen Krise Bildungsveranstaltungen, öffentliche Aktionen, Flugblattverteilungen, Unterstützung von (selbstaendigen) Kämpfen neue Erfahrungen gemacht, Inhalte vermittelt und Beispiele gegeben werden, die die gegenwärtige Gesellschaftsordnung in Frage stellen und eine soziale bzw. sozialistische Neuorientierung nicht ausschließen. Ausserdem ist unabdingbar, eine gaenzlich andere Art von Internationaler Solidaritaet und Internationalismus zu entwickeln.
In Deutschland koennte eine basisorganisierte, antikapitalistische, klassenorientierte und internationalistische Gewerkschaft die Debatte um diese Fragen initiieren bzw befluegeln und auch einiges bewegen, obwohl sie mit einer Gegnerschaft aus Unternehmern, Politik und staatstragenden Gewerkschaften rechnen rechnen muss. BaSo tritt fuer eine solche Gewerkschaftsbewegung ein und arbeitet in diesem Sinne mit anderen Gleichgesinnten im In- und Ausland zusammen.
Zu 2
Wie schon beschrieben, besteht in Deutschland das Problem, alternative, basisorientierte Gewerkschaften zu schaffen. Die basisorientierten Gruppen und Stroemungen (z.Z. also nicht Gewerkschaften), zu denen auch BaSo (siehe www.baso.info) gehört, sollten bzw. haben folgende Positionen und Aktionsfelder:
Sie können als ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose, prekär Beschäftigte, illegal lebender ImmigrantInnen solidarisches, gemeinsam handeln.
Sie sollten als z.B. Arbeitnehmer interprofessionell (berufs- und spartenuebergreifend) und auch als Arbeitslose gemeinsam organisieren.
Sie müssen sich der kapitalistischen neoliberalen Unternehmer- und Managerphilosophie, die eine kollektive Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, sowie ein weltweiter Unterbietungswettbewerb im Rahmen der so genannten Globalisierung und Standortkonkurrenz bedeutet, entgegenstellen. Neoliberales, kapitalistische Handeln geht insbesondere auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen in den weniger entwickelten Ländern. Dem gilt es entgegenzutreten sowohl bezogen auf die herrschende Ideologie als auch im praktischen Handeln. Dazu gehoert auch der Kampf gegen die Privatisierung von Dienstleistungen und Ressourcen.
Dazu bedarf es Bündnisse mit den jeweils schon existierenden Gruppen und Kulturschaffenden, sowohl im eigenen Land als auch international.
Die ökologische Frage ist als wichtiger Bestandteil der Arbeit mit einzubeziehen. Sie hat eine Dimension angenommen, die eigene Anstrengungen auf diesem Feld erforderlich macht.
Zu 3
In Europa sollte die Unterstuetzung der am stärksten der Krise Betroffenen wie Griechen, Spanier, Portugiesen u.a., und den akut betroffenen Sektoren wie Autobauern, alternativen Energiespartenschäftigten, in sozialen und öffentlichem Dienst Beschäftigten (Krankenhäusern, Altenpflege, zum EU-Wasserprojekt) organisiert werden. Der offiziellen Krisendemagogie und Politik, auch die der deutschen Gewerkschaften, die sich auf ein Bündnis mit der Regierung eingestellt haben, muss argumentativ entgegentreten werden. Dabei sollten wir in Europa insbesondere die lateinamerikanischen Erfahrungen einbeziehen.
Zu 4
Geeignete Mittel sind (internationale) Treffen, Konferenzen, Seminare auf Basisebene (Branchen, politische Gruppen/Bewegungen, Aktive gegen punktuelle Missstände), sowie Vernetzung und Koordinierung. Die daraus resultierenden Ergebnisse bzw. Überlegungen sollten auf vielfältige Weise publiziert werden, dazu gehören die Internetmedien aber verstärkt auch konventionelle, klassische Publikationen wie Flugblätter (auch vor den Betrieben), Zeitungen, Aufkleber etc. Insbesondere sollten laufende Veranstaltungen, (Partei)Konferenzen usw., die die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf sich ziehen etc. genutzt werden: Treffen der verhassten Superreichen und Politiker in Davos, Sozialforen, Aktion in Hamburg mit Blockade der Elbe.
Basisinitiative Solidarität Wuppertal im Februar 2013
www.baso-news.de
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