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Recht auf Wasser
22.04.2013 | 13:52 Uhr

Recht auf Wasser 20 Mineralquellen mit grosser Heilkraft entspringen dem Schiefergebirge hoch über dem wundervollen Bündner Dorf Scuol. Majestätisch fliesst der Inn durch die schneebedeckten Wiesen und dunklen Schluchten des Unterengadins.
Am Freitag, dem 22. März, beging die Uno den Weltwassertag. Dicht drängten sich die Menschen aus diesem Anlass im Gemeindesaal von Scuol. Ihre Diskussion zeugte von einer erstaunlichen Bewegung, die das europäische Kollektivbewusstsein erfasst hat.

DRECKWASSER FÜR DIE ARMEN. Worum geht es? Um Wasser als lebenswichtiges, aber gefährdetes Gut. Denn Konzerne wollen weltweit das Trinkwasser privatisieren. Es wäre eine Katastrophe für Millionen ärmster Erdenbewohner, die ihr Wasser nicht bezahlen könnten. Diese Gefahr hat über eine Million europäischer Bürgerinnen und Bürger mobilisiert. Sie unterzeichneten eine EU-Bürgerinitiative für das Menschenrecht auf Wasser.
Der Mensch braucht mindestens 1000 Liter Süsswasser pro Jahr. Der Planet birgt 42 000 Kubikkilometer Süsswasser, genug für 10 Milliarden Menschen. Ein Drittel der Weltbevölkerung muss sich mit verdrecktem Wasser versorgen. Das führt zu schwersten Krankheiten, an denen nach Angaben der Uno alle 20 Sekunden ein Kind unter 10 Jahren stirbt. Viele Staaten der Dritten Welt werden von ihrer Auslandschuld erdrückt. Da liegt es nahe, dass die Regierungen Konzernen wie Nestlé, Lyonnaise des Eaux oder Bechtel die Wasserrechte verkaufen. Die Konzerne übernehmen die Versorgung der Grossstädte. Sauberes Wasser sprudelt fortan in den reichen Quartieren. In den Arbeitervorstädten und Slums gibt es nur verdreckte Tümpel oder vergiftete Flüsse.

HOFFNUNG FÜR LEILA. In Scuol kam mir eine meiner ersten Uno-Missionen in den Sinn. Es war in der marokkanischen Hauptstadt Rabat. In den königlichen Palastgärten schiessen die Springbrunnen in den stahlblauen Himmel, rieseln Tag und Nacht unerhörte Wassermengen auf die Blumenpracht und den Golfplatz. Nur durch eine Meeresbucht von der Stadt und dem Palast getrennt, liegt der schreckliche Slum von Salé.
Dort lebt Leila mit ihren fünf unterernährten, bleichen Kindern. Wenn sie den Wasserhahn aufdreht, strömt eine fast schwarze Brühe heraus. Wenn sie Geld hat, kauft sie Wasser von einem privaten Zisternenwagen. Wenn mal wieder kein Geld da ist, filtert sie dreckiges Wasser aus dem Fluss hinter der Hütte mit einem Tuch.
Es mag weltfremd klingen, aber es gibt Hoffnung für Leila und ihre Kinder. Denn in den Herrschaftsländern erwacht die Solidarität. Das Treffen in Scuol war ein Zeichen. Im Juni wird auch der Uno-Menschenrechtsrat über Massnahmen zum Schutz des Menschenrechts auf Wasser diskutieren. Was es nun braucht, ist weiterer Druck der Öffentlichkeit.


Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Wir lassen sie verhungern», ist im September 2012 auf deutsch erschienen.




 
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