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Hände weg von Hervé Falciani!
05.09.2012 | 10:37 Uhr

Hände weg von Hervé Falciani!Es gibt Menschen, die man nur einmal trifft, von denen man jahrzehntelang nichts hört – und die man trotzdem nie vergisst. Joan Garcés ist so ein Mensch. Es war ein kühler Septembermorgen im Quartier Tomás Moro am Fusse der chilenischen Cordillera Central. Ein bescheidenes Haus, in dem Salvador Allende, der Präsident des Landes, wohnte. Joan Garcés, ein junger katalanischer Sozialist und Pressesprecher Allendes, sass mit uns beim Morgenessen. Auch am 11. September 1973 war er bei seinem Präsidenten. Damals griffen putschende Militärs dessen Amtssitz, die Moneda, an. Nach dem Tod Allendes gelang ihm die Flucht aus dem brennenden Palast.
Am Sonntagabend vor zwei Wochen läutete bei mir das Telefon. Am Apparat: Joan Garcés!

SCHWIERIGER MANDANT. Jahrzehntelang hatte ich seine Stimme nicht gehört, aber die Freundschaft war intakt. Garcés ist heute einer der brillantesten Strafverteidiger in Madrid. Zurzeit hat er einen schwierigen Mandanten und wollte von mir Auskunft haben über die Kompetenzen, das Funktionieren und die psychologischen Motive der helvetischen Bundesanwaltschaft.
Hier die Situation: Der Mandant von Joan Garcés heisst Hervé Falciani. Er ist französischer Nationalität und ehemaliger Kadermann in der Genfer Niederlassung der multinationalen Grossbank HSBC.
Falciani ist ein moralischer Mensch. In seiner Bank entdeckte er viele Fälle von internationalen Finanzdelikten. Er demissionierte – und nahm verschiedene Computerdatenträger mit. Ohne jede Gegenleistung übergab er sie der französischen Justiz. Das war im Jahr 2007.
Die französische Justiz eröffnete daraufhin Dutzende von Strafverfahren, meist wegen Steuerbetrug. Und sie gab die Daten auch an andere Staaten weiter. Zum Beispiel an Grossbritannien. Der britische Schatzkanzler David Gauke gab Anfang 2012 bekannt, dass seine Regierung bereits über 2000 Verfahren eröffnet habe. Über 6000 britische Kontoinhaber bei der Genfer HSBCFiliale seien dank Falciani identifiziert.

BORNIERTE BUNDESANWALTSCHAFT. Was tut die schweizerische Bundesanwaltschaft angesichts des Sumpfes in Genf? Sie verfolgt mit aller Härte den Mann, der die Delikte öffentlich machte. 2008 erwirkte sie einen internationalen Haftbefehl gegen Falciani. Der mutige, aber unvorsichtige Mann wurde am 1. Juli dieses Jahres in Barcelona verhaftet. Jetzt sitzt er in einem spanischen Gefängnis, und die Bundesanwälte verlangen seine Auslieferung. Mit Hilfe von Garcés wehrt sich Falciani dagegen. Anfang nächsten Monats entscheidet ein Gericht über das Verlangen der Schweiz.
Spanien wird von einer schlimmen Wirtschaftskrise heimgesucht. Hunderttausende leiden Armut und Existenzangst. Der Fall Falciani beschäftigt die Zeitungen, Radio und Fernsehen. Steuerbetrug und Kapitalflucht werden für die spanische Misere mitverantwortlich gemacht. Falciani gilt deshalb als Held. Und genau gegen diesen Mann klagt Bern. Mit katastrophalen Folgen für das Bild unseres Landes.


Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Wir lassen sie verhungern», wird auf deutsch am 10. September 2012 erscheinen.




 
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