Nachdem der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen aller Parteien bis auf die Linke dem neuen Atomgesetz zugestimmt hat, gehen die AKW Brunsbüttel, Krümmel, Esensham/Unterweser, Biblis B, Neckarwestheim 1 und Isar 1 nicht wieder ans Netz. Die Bundesnetzagentur entscheidet bis September ob Philippsburg 1 oder Biblis A als sogenannte Kaltreserve die nächsten beiden Winterhalbjahre im Standbye-Betrieb gehalten wird. Der dafür nicht ausgewählte Reaktor wird abgeschaltet bleiben. Wenn die Netzagentur meint, ohne AKW-Kaltreserve auszukommen, dann ist das das Aus für beide Meiler.
Die Stromkonzerne wollen zwar gegen unterschiedliche Aspekte der neuen Atompolitik klagen. Dabei geht es aber – zumindest bei den bisher bekannt gewordenen Plänen – „nur“ um Schadenersatz-Forderungen, nicht darum, die jetzt abgeschalteten Kraftwerke zu retten.
Zwischen den weiterlaufenden AKW können Reststrommengen übertragen werden – auch die noch übriggebliebenen Kontingente aus den jetzt stillgelegten Meilern. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass alle Reaktoren die jetzt im Atomgesetz festgelegten spätesten Stilllegungszeitpunkte erreichen. In der nächsten Legislaturperiode soll ein AKW vom Netz: Grafenrheinfeld Ende 2015. In der Wahlperiode darauf sind nach jetzigen Plänen zwei Kraftwerke fällig: Gundremmingen B Ende 2017 und Philippsburg 2 Ende 2019.
Und spätestens danach wird es spannend: Denn in den 15 Monaten nach der Bundestagswahl 2021 sollen sechs Reaktoren stillgelegt werden. Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C Ende 2021; Lingen, Neckarwestheim 2 und Isar 2 Ende 2022. Dann ist also mit der nächsten heftigen Laufzeitverlängerungsdebatte zu rechnen.
Die jetzt festgelegten Fristen sind ja beileibe kein gesellschaftlicher Konsens. So wollen laut Umfragen relevante Teile der Bevölkerung weitaus schneller aus der Atomkraft raus. Und andererseits werden die Stromkonzerne alles versuchen, um noch mehr Geld aus ihren laufenden Anlagen zu holen. Wenn man gesehen hat, wie unwillig weite Teile der Fraktionen von Union und FDP dem neuen Atomgesetz zugestimmt haben, dann braucht es nicht viel Phantasie, um sich die Debatten in diesen Parteien vorzustellen, wenn die Bilder aus Fukushima weiter in den Hintergrund rücken.
Nichts verändert wurde durch die Beschlüsse im Bundestag an einer ganzen Reihe von wesentlichen atompolitischen Punkten: Die Atommüll-Entsorgung bleibt weiter ungelöst. Trotz eklatanter Mängel des Salzstocks wird in Gorleben weitergebaut. Die Bundesrepublik bürgt für Exporte von Atomtechnologie ins Ausland. Die von Schwarz-Gelb reduzierten Sicherheitsanforderungen an AKW werden trotz der Erfahrungen von Fukushima nicht verschärft. Die Atomfabriken in Gronau und Lingen beliefern weiter den Weltmarkt. Atomtransporte rollen kreuz und quer durch die Republik. Und es gibt immer noch keine Pflicht, die Reaktoren adäquat zu versichern.
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