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IG BCE »Auf schleimiger Spur des Antikommunismus«
13.12.2008 | 17:16 Uhr

Ver.di-Funktionär kritisiert Kampagne von IG-BCE-Kollegen gegen die Linkspartei. Ein Gespräch mit Jörg Jungmann*


Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) kommt dem CDU-Politiker Roland Koch im Wahlkampf mit einer Kampagne zur Hilfe: Bei der hessischen Linkspartei handele es sich »um den gefährlichsten Landesverband der gesamten Partei«, durchsetzt »von kommunistischen Kadern«, behaupten die Initiatoren. Ist die IG BCE überhaupt eine unabhängige Gewerkschaft?
Natürlich ist die IG BCE unabhängig** – innerhalb der Einheitsgewerkschaft des DGB gibt es ein breites politisches Spektrum. Die Sache wird allerdings auf den Kopf gestellt, wenn sich eine Gewerkschaft vor den Karren einer Partei spannen läßt. Die IG BCE ist sich jetzt offenbar nicht zu schade, Lobbyarbeit zu betreiben. Aus der Liste der Initiatoren der BCE-Kampagne, die die Wirtschaftswoche publiziert hat, wird ersichtlich, warum sie das tun: Peter Wichtel z. B. ist Betriebsratschef und Aufsichtsrat bei der Frankfurter Flughafenbetreibergesellschaft Fraport, Karl Schmicking ist Konzern-Betriebsratsvorsitzender der Clariant Gruppe und Konrad Kaletsch ist Betriebsratschef der Hoechst-Ausgründung Pharmaserv.

Tut es Ihnen als Gewerkschafter weh, wenn ausgerechnet Kollegen diese Kampagne lostreten?
Klar. Keiner dieser Kollegen bedenkt, wie Die Linke entstanden ist: Aus Unzufriedenheit mit der Hartz-Politik der SPD. Laut wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Prognosen wird noch einiges auf uns zukommen. Bei Spiegel-online war zu lesen, die Hartz-Gesetze griffen endlich. Und weiter: Die meisten, die aufgrund dieses Gesetzes ein wenig Geld bekommen, wollten nicht mehr darunter gedrückt werden. Dementsprechend seien sie genötigt, »irgend etwas« anzunehmen. So steige die Arbeitslosigkeit nicht. Diese Einstellung ist Resultat einer Politik, wie sie die IG BCE vertritt.

Anderes Beispiel: Nach Betriebsschließungen werden Kollegen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit enteignet – die Hartz-Gesetze verlangen, die Vermögensverhältnisse offenzulegen. Unterdessen wirft man Großkonzernen und Zockern an der Börse das Geld hinterher. Diese Kollegen haben eine politisch sehr eingeschränkte Sichtweise. Wie wollen sie ihrer Klientel erklären, daß sie zehn Euro Eintrittsgeld beim Arzt zahlen müssen, wenn zugleich innerhalb weniger Stunden Milliarden für spekulierende Banker locker gemacht werden.

Was ist zum Vorwurf zu sagen, wirtschafts- und sozialpolitische Forderungen der Linkspartei läsen sich »wie ein sozialistischer Wunschkatalog«?
Hier geht es nicht um Sozialismus. Ich empfehle, im Grundgesetz nachzuschlagen. Dort steht: »Eigentum verpflichtet«. Und selbst die CDU hatte in ihrem Ahlener Programm formuliert, daß die Vergesellschaftung möglich sei, wenn das Kapital seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkomme. Oder wenn es um Flughafenausbau geht: In Frankfurt am Main oder in Hamburg – Obstbauern oder andere Grundstücksbesitzer zu enteignen, ist für sie kein Problem! Die Kollegen bewegen sich auf einer schleimigen Spur des Antikommunismus.

Falls das Programm der Linken zu Beginn einer Rezession umgesetzt werde, könne »die hessische Wirtschaft zusammenbrechen«, heißt es weiter.
Die Linke hat die Rezession nicht verursacht. Vielmehr ist es so: Neoliberales Kaputtsparen und das Entziehen von Kaufkraft haben das wirtschaftspolitische Chaos beschleunigt.

Mit der Kampagne ist beabsichtigt, die Linkspartei bei der Hessen-Wahl unter die Fünf-Prozent-Klausel zu treiben. Glauben Sie, daß die IG BCE damit Erfolg haben wird?
Nein. Wäre die Linke nicht ins Parlament gekommen, müßten Studenten weiter Studiengebühren zahlen. Nur mit uns wird ein Politikwechsel möglich. Daß die Sozialdemokratie so marode ist, daß sie nicht mal ihren eigenen Laden im Griff hat, liegt nicht an uns. Die Entwicklung in Hessen zeigt, daß die SPD eher bereit ist, eine große Koalition einzugehen, als für die Menschen etwas zu tun. Wer wie die IG BCE argumentiert, ermöglicht weiterhin Kochs ausländerfeindliche Politik – und daß er die Tarifbindung im öffentlichen Dienst mißachten kann. Ich frage mich, wen vertreten die eigentlich?

*Jörg Jungmann ist Gewerkschaftssekretär von ver.di Frankfurt und Region sowie ehrenamtlicher Kreisvorsitzender der Partei Die Linke in Wiesbaden
** Viele Mitglieder von BaSo, die langjährig in der IGBCE aktiv waren, können das nicht so ohne weiteres bejahen! Die IG BCE ist schon sehr abhängig, nicht nur ideologisch, von den Grosschemie-Unternehmen. (** = Anmerkung von BaSo/Chemiekreis)


Interview: Gitta Düperthal in jungeWelt



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