Bilanz für 2004 auf der Bayer-Hauptversammlung im Mai 05: - der Umsatz stieg um vier Prozent auf 30 Milliarden - der Gewinn legte um mehr als 50 Prozent auf über zwei Milliarden zu. Dies war Grund genug für BAYER-Chef Werner Wenning, sich sein Salär auf 2,36 Millionen zu verdoppeln und seine drei Vorstandskollegen mit insgesamt zwei Millionen zusätzlich zu bedenken. Da mochte auch der Aufsichtsrat nicht zurückstehen. Er wollte sich von den AktionärInnen eine Erhöhung des Jahresfixums von 40.000 auf 60.000 Euro bewilligen lassen. Die erfolgsabhängigen Prämien mitgerechnet, hätten sie dann per anno ca. 90.000 Euro eingestrichen.
In einer kleinen Zusammenfassung aus der jW vom 28.5.05 dokumentieren wir demgegenüber wie es den Beschäftigten ergeht:
Am »Wirtschaftsstandort Deutschland« wird weiter abgebaut. Am Freitag verkündete die AgfaPhoto GmbH, das Unternehmen werde einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Das Leverkusener Unternehmen steht damit womöglich vor dem Aus. Ebenfalls in Leverkusen macht derzeit der Chemiekonzern Lanxess eine ähnliche Entwicklung durch. Hier geht es (noch) nicht um die mögliche Pleite, sondern um drastische Kostensenkung – sprich Verringerung der Einkommen der Beschäftigten. Beiden Unternehmen gemeinsam ist die direkte und indirekte Verwandtschaft zum ortsansässigen Bayer-Konzern. Der hatte im vergangenen Quartal mit einem satten Profit geglänzt. »Wir hoffen, daß das Amtsgericht Köln noch heute einen Insolvenzverwalter bestellt«, verkündete ein Agfa-Sprecher am Freitag. Der Verwalter solle prüfen, welche Chancen es für die Fortführung der Firma gebe. Glaubt man den Signalen der vergangenen Wochen, scheint für AgfaPhoto nicht mehr viel Hoffnung auf wirtschaftliches Überleben zu bestehen.
In der BRD sind mehr als 1800 Mitarbeiter von der drohenden Pleite betroffen, davon mehr als 800 in Leverkusen. Weltweit hat AgfaPhoto 32 Vertriebsstandorte und mehr als 2400 Beschäftigte. An den Standorten in Leverkusen, Windhagen, Vaihingen, München und Peiting produziert die GmbH Filme, Fotopapier, Fotochemikalien und Laborgeräte. 2004 erzielte sie einen Jahresumsatz von 700 Millionen Euro.
Früher war die Firma Teil eines großen Konzerns. Im November vergangenen Jahres hatte sich die belgische Agfa-Gevaert-Gruppe von ihrer verlustreichen Fotosparte getrennt und den gesamten Bereich für den Endkunden einschließlich Film und Laborbedarf für 175,5 Millionen Euro an das Management und sogenannte Finanzinvestoren verkauft. Die AgfaPhoto GmbH ist derzeit eine 100prozentige Tochtergesellschaft der AgfaPhoto Holding GmbH, die mehrheitlich im Besitz der Münchner NannO Beteiligungsholding ist.
Agfa hat in der jüngeren Vergangenheit im globalen Konkurrenzkampf offenbar den Kürzeren gezogen. Die 130-jährige Firma, früher am Standort Leverkusen lange mit Bayer verbunden, war ein Begriff. Doch sie verlor gegenüber den Hauptwettbewerbern Eastman Kodak und Fuji mehr und mehr an Boden. Bereits mit der Ausgliederung aus der Gevaert-Gruppe war wohl das Schicksal von AgfaPhoto besiegelt.
Dies deutete sich bereits an, als durchsickerte, Gevaert habe das ganze Management-Bye-out selbst vorfinanziert. Inzwischen hat der Konzern das bestätigt. Bei Gewerkschaftern und Betriebsräten gilt vor allem »Chefinvestor« Hartmut Emans als rotes Tuch. Der NannO-Geschäftsführer soll bereits während seines »Wirkens« in Ostdeutschland in den Neunzigern besonders unangenehm aufgefallen sein. So habe er mit dem Segen der damaligen Treuhand eine »Spur der Verwüstung« gezogen, wie es ein Gewerkschafter nannte. Dabei sollen solche bekannten Ostbetriebe wie Elpro Berlin, SKL Magdeburg, oder ILKA MAFA Kältetechnik letztlich auf der Strecke geblieben sein. Die EU-Kommission bescheinigte der handelnden Investorengruppe um Emans dabei, »es fehlte der Lintra-Gruppe ... an einem qualifizierten Management und einer geeigneten Finanzkontrolle. Ein hoher Anteil der Ressourcen (der Unternehmen, d.Red.) wurde von der Lintra Beteiligungsholding selbst beansprucht.« Letztlich, so die anonym bleiben wollenden Gewerkschafter, sei es immer um ein Ausbluten der Firmen gegangen. Solches werde nun auch bei Agfaphoto befürchtet.
Es ist Methode großer Konzerne, sich von als »unprofitabel« eingestuften Bereichen im Zuge von Ausgliederungen zu trennen. Nicht selten beginnt damit für diese Unternehmensteile der direkte Weg in die Insolvenz, auch wenn es auf den ersten Blick »erfolgreiche« Abspaltungen gibt. Siemens trennte sich von der Chipproduktion. Die daraus entstandenen Konzerne Infineon und Epeos blühten in den Jahren der Dotcom-Blase vorübergehend auf. Seitdem dümpeln sie eher als Abstiegskandidaten in der Liga der größten Chiphersteller vor sich hin.
Manchmal läuft es auch andersherum. Als der Chemie- und Pharmagigant Hoechst mit der französischen Rhone Poulenc fusionierte, gliederte man den Chemieteil aus und beließ ihn unter dem Namen Celanese am Standort Frankfurt/ Main. Hoechst selbst existiert nicht mehr, auch der aus der Fusion entstandene Pharmakonzern Aventis ist nach der feindlichen Übernahme durch Sanofi Geschichte. Gemeisam ist diesen Operationen u. a. stets der Abbau von Arbeitsplätzen.
Eine ähnliche Ausgründung vollzog Bayer zu Beginn dieses Jahres mit einem Großteil seines bisherigen Chemiegeschäfts. Unter dem Namen Lanxess firmiert seitdem ein Konzern, der offenbar auch zumindest zur teilweisen Abwicklung vorbereitet wird. Nach Presseberichten kommen auf die Beschäftigten von Lanxess verkürzte Wochenarbeitszeiten und entsprechend reduzierte Gehälter zu. Der Financial Times Deutschland vom Freitag zufolge gebe es »außerordentlich harte« Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat, bei denen es um massive »Einsparungen« beim viertgrößten deutschen Chemiekonzern geht. Im einzelnen erwäge Lanxess die Einführung der 35-Stunden-Woche bei 6,7 Prozent weniger Lohn. Bisher arbeiten die Beschäftigten 37,5 Stunden pro Woche. Nach derzeitigem Stand stünden zudem in den Sparten Feinchemie und Kunststoffe insgesamt 800 Stellen zur Disposition.
Gleichzeitig versuchte die Lanxess-Konzernleitung offenbar, die Mitarbeiter zweier Standorte gegeneinander auszuspielen. Entweder Dormagen oder Tarragona in Spanien, hieß das Diktum. Inzwischen sollen dem FTD-Bericht zufolge möglicherweise doch beide Standorte erhalten werden, allerdings nur »in abgespeckter Form«. Bis zur nächsten »Konsolidierungsrunde« vermutlich.
Im Dez 2004, also das Erfolgsjahr worüber die Hauptversammlung jubelt, beschrieb die Belegschaftsliste die Situation in Wuppertal bei Bayer wie folgt:
440 Stellen mit einem Federstrich abgebaut Angst und Wut bei der Belegschaft Über tausend KollegInnen schlossen sich dem Protestzug zur Bayer-Sporthalle an, da man auf der Betriebsversammlung mit der Verkündigung von massivem Stellenabbau rechnete. In der Halle waren über 2300 Beschäftigte, welche die Ausführungen von Pharmachef Plischke mit einem gellenden Pfeifkonzert und erregten Zwischenrufen begleiteten. Herr Plischke versuchte den massiven Stellenabbauals unumgänglich und als einzigen Ausweg darzustellen, um Pharmaüberlebensfähig zu machen. Auffällig war, dass er das Wort Profitabilität in diesem Zusammenhang häufig benutzte. Eine Umsatzrendite von 5-6 % sei völlig unakzeptabel. Gute Pharmafirmen hätten eine von 20 %. Die KollegInnen hatten noch die Ausführungen zur Herbstpressekonferenz von Bayer Chef Herrn Wenning im Ohr: „Mit 1,870 Milliarden Euro lag der Wert (EBIT) in den ersten neun Monaten um 27,6 % über dem Gesamtjahr 2003“. In „Bayer informiert“ war zu lesen, dass Wenning sich für das vierte Quartal optimistisch zeigt und im dritten Quartal alle Teilkonzerne signifikante EBIT-Zuwächse erzielten. Mit dem Rückzug auf nur noch 2 Forschungsgebiete und dem Streichen von 440 Stellen bedient der Vorstand die kurzfristigen Profitinteressen der Shareholder. Menschliche Schicksale haben sich diesen Interessen laut Wenning, Plischke und Co. unterzuordnen. Faszination Bayer Im Vorwort zum neuen Bayer-Leitbild betont der große Vorsitzende Werner Wenning: „Es (das Leitbild) soll uns allen Orientierung geben und Begeisterung wecken, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Auf diese Weise möchten wir vor allem eines vermitteln: Die Faszination Bayer.
Nun mussten wir auf der Betriebsversammlung erleben, dass ca. 400 MitarbeiterInnen dadurch zum Erfolg des Unternehmens beitragen sollen, indem sie ihre Arbeitsplätze räumen. Soll man es etwa faszinierend finden, dass das Management in Gutsherrenmanier mit Kälte und Arroganz über die Gefühle, Sorgen und Ängste der Beschäftigten hinweggeht und dass so eine tiefgreifende Entscheidung diktatorisch von einem kleinen Kreis älterer Männergefällt wird. Herr Plischke konnteauf der Betriebsversammlung Fra-gen, warum denn nicht die MitarbeiterInnen (bzw.ihre Vertretung) im Vorfeld in diese Entscheidungen miteinbezogenworden seien, überhaupt nicht verstehen. Er faselte immer davon, dass doch mit allen gesprochen worden sei. Gemeint war offensichtlich der kleine Kreis älterer Männer. Als hätten diese Herrschaften nicht schon in der Vergangenheit mit ihren Fehlentscheidungen genug Schaden (siehe auch Bericht Jw, BaSo) angerichtet. Zur Erinnerung: Das Setzen auf einige wenige Blockbuster, das Pushen der Dosierung von Lipobay hat das Unternehmen gegen die Wand gefahren. Ausbaden musste dieses Missmanagement bekanntlich die Belegschaft mit Entgeltkürzungen und Stellenabbau. So schreibt die Financial Times Deutschland: "Wenning fährt damit einen riskanten Kurs. Er senkt zwar Kostenund pusht damit die tatsächlich sehr niedrige Pharmarendite. Aber erspart an Forschung und Forschern - und damit an der Zukunft. Bei nur noch zwei Forschungsgebietenreicht ein geringer Rückschlag in der Forschung, um die Sparte in ihrer Existenz zu gefährden. "
Und die Börsenzeitung: "Ob die neue Pharmastrategie letztlich zum Erfolg führt oder ob Bayerin zwei, drei Jahren komplett auf Forschung verzichtet, hängt ausheutiger Sicht von zwei Forschungsprojekten ab. "
Auch die Auswahl der Forschungs-gebiete erscheint uns willkürlich. Beiden Antiinfektiva haben Bayer-For-scher eine traditionell besondere Expertise. Dies versuchte Herr Plischke durch den Hinweis zu relativieren, dass in den letzten 25 Jahrenkeine neue Wirkstoffklasse gefunden wurde. Er verschwieg, dass Bayer im Bereich Antiinfektiva auf Platz 4 derWeltrangliste liegt (zum Vergleich HK Platz 15, Krebs Fehlanzeige!). Gleich 2 Produkte, Cipro und Moxi, verdienen für Pharma gutes Geld. Diese Bemerkung richtet sich nicht gegen andere Indikationen. Wir wollen allerdings damit klarstellen, wie tendenziös die Äußerung von Herrn Plischke war. Auch für die Naturstoffforschung von ET wird eine Ausgliederung alsLösung präsentiert. Dabei ist unstrittig, dass eine Selbstständigkeit dieses Bereiches noch sehr vielschwieriger sein wird als bei AI. Ungewisse Zukunft Plischkes Bemerkung, dass dies nun die letzte Personalabbaumaßnahme sei, erntete bei den TeilnehmerInnen der Betriebsversammlung Hohngelächter, denn dies hatte er schon vor 2 Jahren beider Rebound-Maßnahme behauptet. Zur Beruhigung verwies Herr Plischke wiederholt auf die Standortvereinbarung und dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Für jeden Betroffenen werde eine individuelle Lösung gesucht. Worin diese Lösung allerdings bestehen soll, konnte weder er noch Frau Lohkamp-Heikaus (Personalabteilung) mitteilen, da auch sie weder im Konzernverbund noch außerhalb von Bayer eine nennenswerte Zahl freier Arbeitsplätze ausmachen konnte. Zuder geplanten Ausgründung der Antiinfektiva-Forschung konnte ebenfalls nichts konkretes ausgeführt werden. Ohne ausreichende finanzielle Ausstattung der Ausgründung (spin-off) ist dies perspektivlos und von vorneherein eine Totgeburt. Die Forderung einer Mitarbeiterin, die Menschen auf den Freistellungslisten weiter auf den alten Stellen zu belassen, bis eine neue Arbeitsstellegefundenwürde, da bei Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen Pharmadie Leute ohnehin bezahlen müsse, fand bei Plischke und Co. kein Gehör. Egal wie, die 440 Menschen müssen bisspätestens 2006 ihre Arbeitsplätze verlassenhaben. Deshalb muss man befürchten, dass mit Mobbing und Druck die Kolle-gInnengenötigt werden sollen, Bayer zu verlassen. Denn eine Überführung in den Pool „Bedarfs-gerechte Einsätze“ ohne Beschäftigung ist für Bayer (auf Dauer) nicht akzeptabel. Widerstand ist nötig Dass wir vom Vorstand zum bloßen anonymen Kostenfaktor degradiertwerden, dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Denn wir sind Men-schen. Gemeinsam müssen wir uns der fantasielosen Managementstrategie entgegenstellen, die da heißt: Stellenabbau und Entgeltkürzung damit die Gewinne steigen. Diese Strategie zerstört unsere Gesellschaft. Diese Strategie untergräbt unsere Existenzsicherheit und die unserer Familien. Wir alle brauchen unseren sicheren Arbeitsplatz und unser sicheres Einkommen. Lassen wir uns durch unsere Ängste und Befürchtungen nicht mutlos machen. Organisieren wir uns, damit wir gemeinsam gegen Mobbing und Isolation vorgehen können! Machen wirunsere Wut produktiv! Informierenwir mit fantasievollen Aktionen die Öffentlichkeit. Sorgen wir dafür, dass die Umsetzung der Vorstandsmaßnahme überall boykotiert wird. Seien wir Sand im Getriebe dieses gigantischenPersonalabbauprogramms! Vom Betriebsrat erwarten wir, dass er dieser Maßnahme widerspricht und keiner Freistellungsliste zustimmt. Soll der Arbeitgeber sich die Zustimmungdoch durch ein Arbeitsgerichtgebenlassen! Es darf nichts ein, dass der Betriebsratdurch sein Verhalten dazubeiträgt, dass der Personalab-bau vom Unternehmen reibungslos durchgezogen werden kann. Die Belegschaft und der Betriebsrat sollten mit Wenning auf Konfrontationskurs gehen, es sei denn, der rigorose Stellenabbau wird zurückgenommen. Kolleginnen und Kollegen, wir waren und sind viel zu zahm. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen inder Bayer-Sporthalle vor undwährend der Betriebsversammlungzeigten, dass das Management derBelegschaft offensichtlich ganz andere Reaktionen zutraut. Im eigenen Interesse sollten wir diese Erwartungen des Managements nicht enttäuschen!
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