HINTERGRUND:
Via Campesina
Weltweit organisieren sich Kleinbauern und -bäuerinnen, LandarbeiterInnen und Landlose, um ihre Interessen gegen Großgrundbesitzer, Großkonzerne, Regierungen und internationale (Handels- und Finanz-)Institutionen zu verteidigen und durchzusetzen. Immer wieder leisten sie vielfältigen Widerstand in ihrem Alltag und bei einer Vielzahl von Widerstandsaktionen: Sie besetzen Land, kämpfen gegen die Privatisierung von Wasser, errichten Straßenblockaden, brennen Genfelder ab, gründen Kooperativen, bauen eigene Saatgutbanken auf, etc.. Eine treibende Kraft in diesem Prozess der bäuerlichen Selbstorganisation ist das globale Netzwerk Via Campesina. Seit 1993 koordinieren sich darin klein- und mittelständische bäuerliche Gewerkschaften, LandarbeiterInnen, Landfrauen und indigene Gemeinschaften aus verschiedenen Regionen der Welt. Zu den beteiligten bäuerlichen Gewerkschaften zählen beispielsweise die französische Conféderacion Paysanne, die polinische Peasant Solidarnosc oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland, die brasilianische Landlosenbewegung Moviemento Sin Tierra in Südamerika oder die Bharatiy Kisan Union in Indien.
Via Campesina hat sich zu einem internationalen Solidaritätsnetzwerk entwickelt, in dem Ideen, Wissen, Saatgut etc. ausgetauscht werden und in dem sich die Mitglieder in Zeiten der Not gegenseitig unterstützen. Ein zentrales Anliegen des Netzwerks ist es, den Zugang zu und die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen Land, Wasser und Saatgut für ProduzentInnen zu bewahren und/oder (zurück) zu erobern.
In diesem Kontext wurde von dem Netzwerk auch das Konzept von Ernährungssouveränität entwickelt. Bei Antiglobalisierungsprotesten z.B. gegen die Welthandelsorganisation WTO waren in den letzten Jahren vor allem Via Campesina Mitglieder aus Lateinamerika und Asien stark vertreten.
1996 initiierte Via Campesina den 17. April als (klein-) bäuerlichen globalen Aktionstag. An diesem Datum wurden in Brasilien kämpfende BäuerInnen bei einem Massaker getötet. Seither finden alljährlich an diesem Tag, an einer Vielzahl von Orten, weltweit Veranstaltungen und Aktionen statt. (Klein-) bäuerliche Gewerkschaften, Organisationen, soziale Bewegungen und andere UnterstützerInnen verknüpfen dabei ihren lokal verankerten Widerstand mit einem Protest gegen die globalen neoliberalen Strukturen und Entwicklungen im Agrarbereich.
Konflikte um Land
Neben Wasser und Saatgut, ist das Land, der Boden, das zentrale Produktionsmittel für Bauern und Bäuerinnen - und damit letztenendes die Basis für die weltweite Ernährung.
Konflikte um Land hat es schon immer gegeben. Nachrichten berichten von Vertreibungen von Bauern und Bäuerinnen von ihrem Land in China, weil dort der größte Staudamm der Welt gebaut wurde. In Honduras vergreift sich ein Großgrundbesitzer am Land seiner indigenen “Nachbarn”, denen selbst kaum noch Land geblieben ist, und hat die örtliche Justiz voll auf seiner Seite. Die intensive Mais und Soya-Produktion in den Ländern des Südens, hauptsächlich für den Export als Tierfutter, verdrängt z.T. gewaltsam, z.T. mit den offiziellen Regeln des neoliberalen Agrarsystems die “unrentablen” Kleinbauern von ihrem Land. So mussten in Mato Grosso, dem größten sojaproduzierenden Bundesstaat Brasiliens, seit den 80ern fast 14.000 kleine Höfe den expandierenden Soja-Mega-Farmen weichen. Und um den Klimawandel aufzuhalten, sind viele Hektar Plantagen-Wald geplant. Zudem wird überall auf der Welt Landzerstörung in großem Stil betrieben - durch Abholzungen, durch Minen, durch Gifte aller Art, durch Staudämme.
Während die "Ressource fruchtbares Land" also knapper wird, nimmt die Konzentration von Boden- und Landbesitz in den Händen einiger weniger immer mehr zu. Das ist nicht nur in den ärmeren Agrarländern so, sondern auch im industrialisierten Norden. Ursachen hierfür liegen zum einen in der Industrialisierung der Landwirtschaft, aber auch in der globalen Agrarpolitik.
Die EU z.B. finanziert in erster Linie eine Agrarpolitik, die die Vitalität des ländlichen Raumes schwächt und die kleineren und mittleren Höfe nach dem Motto "wachse oder weiche" zum Aufgeben zwingt. Es geht um Produktivität und Wachstum, ökologische und soziale Aspekte werden ausgeklammert. In Deutschland hat es im Laufe des letzten Jahrhunderts mehrere Wellen des Höfesterbens gegeben. Diese Tendenz wird sich weiter fortsetzen und vor allem in den neuen EU-Länder im Osten, zu starker Umstrukturierung des ländlichen Raums führen.
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