Nachtessen mit einem Westschweizer Regierungsrat. Er macht sich grosse Sorgen um die UBS. Ich wundere mich. «Als Linker musst du dir um kriminelle Grossbanken doch keine Sorgen machen!» Seine Antwort: «Doch, sie reissen riesige Löcher in unser Budget.» Ich staune schon wieder: «Aber Patrick Odier, der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, posaunt doch überall, dass die Banken die grössten Steuerzahler bei uns sind.» Antwort: «Das war einmal. In den nächsten sieben Jahren zahlen die Grossbanken keinen Franken mehr. Ganz legal. Sie können über sieben Jahre ihre Verluste verrechnen.»
DIE VORSTRAFEN. Paradox des helvetischen Steuerparadieses! Die UBS wurde von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden im Dezember wegen ihrer Betrügereien bei der Festsetzung des Libor-Zinses zu einer Busse von 1,4 Milliarden Franken verurteilt. Sie spart diese Riesensumme nun bei den Bundes- und Kantonssteuern wieder ein. Und nicht nur die 1,4 Milliarden. Hier eine Aufstellung von Strafzahlungen aus den letzten drei Jahren: 2009: Die Geldsäcke der Zürcher Bahnhofstrasse zahlen eine Busse von 780 Millionen Dollar an die USA wegen Beihilfe zum Steuerbetrug. 2010: Die UBS schliesst einen Vergleich mit den amerikanischen Staatsanwälten. Für 146 Millionen Dollar vermeiden sie die Verurteilung wegen betrügerischer Geschäfte mit Obligationen. Im gleichen Jahr verzockt ihr Trader Kweku Adoboli an der Londoner Börse 2 Milliarden Franken. Die UBS hatte seinem Treiben achtlos zugeschaut und wird deshalb wegen verletzter Kontrollpflicht zu einer Buße von etwa 45 Millionen Franken verurteilt. Mit der soeben ausgesprochenen Rekordbusse von 1,4 Milliarden Franken ist die Räubergeschichte der Bank noch längst nicht beendet: Im Dezember 2012 verurteilte ein Mailänder Gericht die UBS, weil sie die Stadt «vorsätzlich irrtümlich» beraten hatte. Und liess 105 Millionen Franken einziehen. Zu Beginn dieses Jahres laufen fünf weitere internationale Untersuchungen zur UBS-Beteiligung am Libor-Betrug. Sie werden wahrscheinlich zu neuen Rekordbußen führen. Andere Delikte untersuchen die Strafverfolgungsbehörden in Frankreich, Deutschland und den USA.
DER BÜRGER ZAHLT. Die durch die Steuerausfälle geschädigten Kantone und der Bund haben keine Wahl: Sie reduzieren ihre Budgets und streichen Sozialleistungen. Der Bürger bezahlt die Bußen der UBS (und der anderen Banken). Per Twitter fragt SP-Nationalrat Cédric Wermuth: «Was muss die UBS eigentlich noch tun, bis ihr die Banklizenz entzogen wird?»
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Wir lassen sie verhungern», ist im September 2012 auf deutsch erschienen.
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