:: BaSo News ::

Die Freiburger in Mali
09.02.2013 | 13:32 Uhr

Die Freiburger in Mali Die Luft ist von einem seltsamen, brummenden Geräusch erfüllt. Jäh verfinstert sich der Himmel. Milliarden Wanderheuschrecken stürzen auf die Erde. Sie verschlingen jedes Hirsekorn, jeden Grashalm, jedes Blatt.
Ich erinnere mich noch genau an diesen Sommernachmittag im Jahr 2008. Wir besuchten Noro, ein kleines Dorf im Westen Malis. Auf der Rückfahrt in die Hauptstadt Bamako wollten wir kranke, halbverhungerte Kinder in unserem Uno-Konvoi mitnehmen. Der Dorfchef hielt den ersten Wagen an. «Lasst die Kinder hier», sagte er. «Es hat keinen Sinn, keine der Familien hat ein Carnet.»

ARZT NUR MIT «CARNET». In 20 Jahren hatte der Internationale Währungsfonds dem hochverschuldeten Staat nacheinander acht «Strukturanpassungsprogramme» aufgezwungen. Mali musste seine öffentlichen Ausgaben radikal abbauen. 2005 wurden 34 Prozent der noch bestehenden Schulen und fast die Hälfte der Spitäler geschlossen. Zu medizinischer Pflege hatten danach nur noch Familien Zugang, die zu einem horrenden Preis ein Dokument kauften, das «Carnet» heisst. Am 20. Januar 1961 war Mali unabhängig geworden. Modibo Keita, der Chef der Unabhängigkeitsbewegung, übernahm die Regierung. Sieben Jahre später wurde er durch einen von Paris organisierten Militärputsch gestürzt. Seither lösen sich Regierungen ab, die von französischen Konzernen dominiert sind. Sie sorgen dafür, dass Frankreich dieses dank Gold, Uran, Silber und Kupfer unendlich reiche Land ungestört ausbeuten kann. Die Bevölkerung, etwa 10 Millionen Menschen, ist die zweitärmste der Welt.
2011 erhoben sich Tuareg und arabischstämmige Bauern im Norden gegen das neokoloniale Lotterregime. Sie fanden Unterstützung bei 2000 algerischen Islamisten, die sich nach dem algerischen Bürgerkrieg hier niedergelassen hatten. Am 11. Januar waren die Rebellen so weit nach Süden vorgestossen, dass Präsident François Hollande, der die Uranförderung durch die französische Staatsgesellschaft Areva gefährdet sah, Luftangriffe befahl.

SCHWEIZER KONTAKTE. In diesem Krieg spielt die Schweiz eine wichtige Rolle. Mali war ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe. Deren Projekte lagen bis zum Ausbruch des Aufstands vor allem im Norden, und viele ihrer lokalen Kontaktleute schlossen sich der Rebellenbewegung «Mouvement national de libération de l’Azawad» (MNLA) an. Im Aussendepartement bestimmt eine Gruppe hochkarätiger Freiburger Diplomaten um Staatssekretär Yves Rossier und Uno-Botschafter Alexander Fasel die Saharapolitik.
Auch Muriel Berset, die kluge Botschafterin in Mali, stammt aus Freiburg. Mit der MNLA halten sie als einzige europäische Regierung ständigen Kontakt und versuchen, für den Wüstenkrieg eine friedliche Lösung zu finden.


Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Wir lassen sie verhungern», ist im September 2012 auf deutsch erschienen.




 
zurück zur Übersicht                              nächste News